Hilfen für die Freizeit

Auch die Teilhabe in der Gesellschaft ist für Menschen mit Autismus oft nur sehr eingeschränkt möglich. Zu viele Barrieren unterschiedlichster Art bedeuten große Hürden. Manches davon lässt sich kurzfristig und ohne große Investitionen lösen:

  • Bei Großveranstaltungen in geschlossenen Räumen kann man auf einer Seite am Rand die Stühle mit etwas größerem Abstand zueinander aufstellen und gezielt darauf hinweisen, dass dieser Bereich für Menschen mit Wahrnehmungsbesonderheiten reserviert ist. Hier sollte ggf. die Leuchtkraft reduziert und das Licht möglichst blendfrei sein.
  • Ein separater Raum sollte bei solchen Veranstaltungen als ruhiger Rückzugsraum ausgewiesen werden.
  • In Ämtern und Behörden muss eine klare und eindeutige Sprache vorherrschen. Schriftliche Hinweise, wie man auf der jeweiligen Behörde vorgehen muss, sind sinnvoll für die Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, sich schnell zu orientieren und aktiv nachzufragen.
  • Antragsformulare müssen verständlich formuliert sein und sollten keine Redewendungen enthalten. Bei erfahrungsgemäß langen Wartezeiten sollte es die Möglichkeit geben, im Voraus einen Termin zu vereinbaren. Hilfreich wäre es, vieles auch online erledigen zu können.
  • Der Bodenbelag von Treppenstufen, Rampen o.ä. muss so gestaltet werden, dass auch Menschen mit Wahrnehmungsbesonderheiten auf Anhieb den Höhenunterschied erkennen können.
  • Für viele Betroffene ist es schwierig, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Vollbesetzte Züge sind im Bereich der zweiten Klasse eine schwere sensorische Herausforderung. Mit ihrem Schwerbehindertenausweis steht ihnen in Bus oder Bahn ein Sitzplatz zu – aber viele ältere Menschen schimpfen, wenn sie nicht aufstehen. Sinnvoll wäre auch ein separates Merkzeichen (etwa „W“) für Menschen mit Wahrnehmungsstörungen und Sinnesempfindlichkeiten. Mit diesem Zeichen sollte man zum Beispiel im Krankenhaus ein Einzelzimmer bekommen können, Behindertenfahrdienste nutzen oder im Zug erster Klasse fahren können.

Hilfen für das Wohnen

Im Hinblick auf das Wohnen müssen auf unterschiedlichen Gebieten die Besonderheiten berücksichtigt werden:

  • Menschen mit Autismus profitieren von einer ruhigen Wohnumgebung, wünschen sich häufig aber auch einen guten Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel.
  • Die Wohnräume sollten reizarm ausgestattet sein, viele Betroffene möchten auf überflüssige Dekoration verzichten, andere jedoch wünschen sich gerade eine persönliche Gestaltung. Hier müssen individuelle Bedürfnisse beachtet werden. Licht, Akustik, Materialien, Farben, Struktur etc. müssen Berücksichtigung finden. Grelle Farben und helles Licht bedeuten oft eine Überforderung, hellhörige Räume oder fiepende Elektrogeräte können zur Reizüberflutung führen. Gute Schallschutzfenster können ebenso sinnvoll sein wie die gezielte Anordnung der Fenster bei Neubauten.
  • Die Wohnung muss insgesamt so ausgestaltet werden, dass sie für den autistischen Menschen Wohlbefinden, Konzentration, Lernmotivation, Kommunikation, Sicherheit und größtmögliche Selbstständigkeit bietet.
  • Sinnvoll sind Maßnahmen zur Strukturierung der Tagesabläufe, konkrete Unterstützung im Haushalt und andere Hilfen.
  • Wenn sich die Lebensbedingungen verändern, müssen auch die Hilfen angepasst werden (in Krisensituationen und vor allem dann, wenn die Eltern keine Unterstützung mehr bieten können, kann der Assistenzbedarf deutlich zunehmen).
  • Klare und geordnete Strukturen und ein möglichst konstantes Umfeld sind wichtig (langfristig verfügbare Betreuungspersonen, nicht quartalsweise wechselnde Nachbarn etc.).
  • Im Falle von Wohngemeinschaft oder Wohnheim ist unbedingt das Bedürfnis nach Rückzug zu berücksichtigen. Einzelzimmer, die durch eine Tür verschlossen werden können, gewähren die notwendige Privatsphäre.
  • Angeleitete Freizeitaktivitäten sind sinnvoll, um die freie Zeit gut zu füllen und mit anderen Menschen in Kontakt kommen zu können.
  • Fachkenntnisse, spezifische Qualifikationen und Weiterbildung der Betreuer sind unabdingbar.
  • Eine angenehme Atmosphäre, Freundlichkeit, Herzlichkeit, Humor, Engagement und das Interesse, mit autistischen Menschen zu arbeiten und ihnen ein schönes Leben zu ermöglichen, haben jedoch den höchsten Stellenwert.

Hilfen für die Gesundheit

Viele autistische Menschen können am Gesundheitssystem nicht teilhaben, weil es hier zu viele Hürden gibt. Aber es sind auch hier zahlreiche Maßnahmen möglich, wenn alle mithelfen:

Ärzte sollten

  • den Patienten ausreden lassen, weil er oft etwas länger braucht, um in Ruhe nachzudenken und sein Anliegen auszudrücken
  • ihm so viele Informationen wie möglich über die bestehende Erkrankung und ggf. die vorgesehenen (Untersuchungs-) Maßnahmen geben (Menschen mit Autismus haben meist große Angst, wenn sie nicht Bescheid wissen, was auf sie zukommen wird)
  • sensibel, aber ehrlich über den Gesundheitszustand Auskunft geben
  • konkrete und unmissverständliche Worte wählen, Redewendungen vermeiden
  • autistische Besonderheiten auch bei der Diagnosestellung berücksichtigen (veränderte Schmerz- bzw. Körperwahrnehmung) und mögliche Symptome explizit erfragen, weil sie oft nicht von selbst berichtet werden
  • den Betroffenen nicht zu lange warten lassen oder evtl. nochmals weggehen lassen, wenn es länger dauert (längere Zeit im Wartezimmer wird oft als besonders schwierig erlebt)
  • Berührungen (Untersuchung etc.) vorher ankündigen, bei taktiler Überempfindlichkeit Hilfen überlegen
  • wichtige Informationen (Einnahmehinweise der verordneten Medikation, Folgetermine etc.) möglichst schriftlich mitgeben, damit man alles in Ruhe zu Hause nachlesen kann und nichts vergessen gerät, weil man zu aufgeregt war.

Menschen mit Autismus selbst könnten

  • bei Routineterminen bereits im Vorfeld den Arzt über den Autismus und die bestehenden Auffälligkeiten informieren, z.B. per E-Mail oder Brief
  • „Randtermine“ bevorzugen (zu Beginn oder am Ende der Sprechstunde, wenn das Wartezimmer nicht so voll ist)
  • wichtige Informationen für den Arzt (aktuelle Beschwerden, Fragen, Anliegen etc.) aufschreiben, damit in der Eile nichts vergessen wird
  • bei problematischen Terminen (z.B. Frauenarzt, Zahnarzt) Begleitung durch Familie, Bekannte oder Therapeuten in Anspruch nehmen.

Hilfen im Hinblick auf die Wahrnehmungsbesonderheiten

Bei Besonderheiten im Bereich der Wahrnehmung, die bei Menschen mit Autismus sehr oft zu finden sind, können folgende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Akustische oder visuelle Hilfsmittel (z.B. Tonsignale, Beschilderungen, Beschriftung von öffentlichen Anlagen, Markierungen, Symbole, Piktogramme, wechselnde Bodenbeläge, Einsatz von Farben etc.)
  • Möglichkeiten, akustische Reize zu verringern (z.B. Ohrenstöpsel oder Kopfhörer, schallschluckender Teppichboden, ruhige Wohnung, gut schließende Fenster, piepsende elektronische Geräte aussortieren, unvermeidbaren Lärm vorher ankündigen, ruhiger Arbeitsplatz in Schule oder Beruf etc.)
  • Möglichkeiten, optische Reize zu verringern (z.B. Sichtblenden, Sonnenbrille, Verdunklungsrollos, angenehme, nicht blendende Farbgestaltung im Wohnbereich, Verzicht auf Neonröhren oder blinkende Leuchtreklame etc.)
  • Möglichkeiten, taktile Reize zu verringern (z.B. Herausschneiden störender Etiketten im T-Shirt, Verzicht auf Wolle oder andere Stoffe, die als unangenehm empfunden werden, Nutzung von Hilfsmitteln bei der Nahrungszubereitung, um Lebensmittel bestimmter Konsistenz nicht berühren zu müssen etc.)
  • Möglichkeiten, olfaktorische Reize zu verringern (z.B. geruchsneutrale Waschmittel, Seifen, Cremes etc. verwenden; schlechte Gerüche „übertönen“, etwa durch das Aufsaugen von etwas Vanillezucker oder Kaffeepulver nach dem Beutelwechsel des Staubsaugers; einen angenehmen „Not-Duft“ bei sich tragen wie Zitrone, angenehmes Parfum, Gewürz etc.)
  • Möglichkeiten, Reize zu vermeiden, die durch zu viele Menschen entstehen (z.B. Trennwände in großen Räumen; Einkauf am frühen Morgen oder am späten Abend; Online-Bestellungen etc.)
  • Hilfen bei schlechter Körperwahrnehmung (z.B. bei Schwierigkeiten, Hunger rechtzeitig wahrzunehmen, stets einen kleinen Snack mit sich führen; gezieltes „Essen nach Plan“ bei fehlendem Sättigungsgefühl etc.)
  • Hilfen zur Strukturierung der Abläufe (z.B. Ablaufpläne; Tages- und Wochenkalender; bei sozialen Kontakten vorher die Dauer des Treffens festlegen; Ordnung schaffen und halten etc.).